Das Wissen der langjährig erfahrenen Mitarbeiter

Ein Beitrag von Dr. Uwe-Klaus Jarosch, November 2025

Im Blog „Wissen – Managen“ habe ich versucht, ein paar Grundlagen zu beschreiben, was Wissen in Unternehmen ausmacht und wie es „gespeichert“ wird.

Dabei habe ich mich auf die „formalen Regeln“ im Unternehmen beschränkt.

Wir Menschen haben aber mehr als nur formale Regeln in unseren Köpfen, mit denen wir miteinander als Unternehmen arbeiten und Wissen einsetzen.

Wenn Mitarbeitende ausscheiden, verlässt meist auch eine Menge an Wissen das Unternehmen. Dies, obwohl in den Lobpreisungen und Sonntagsreden die Mitarbeitenden als das wertvollste Gut des Unternehmens bezeichnet werden.
Aber dieses Wissen ist meist kein in Geld bewertetes „Asset“. Dadurch erscheint es wirtschaftlicher, Menschen mitsamt ihrem Wissen aus dem Unternehmen zu entlassen und diesen Menschen dafür auch noch Abfindungen zu bezahlen.
Soviel kann Wissen ja dann wohl nicht wert sein.

Wie viel Wissen als Geldwert darstellen sollte, will ich in einem weiteren Blog-Beitrag beleuchten.

Hier soll es im Weiteren um die Frage gehen, wie Wissen im Unternehmen bleiben kann bevor Mitarbeitende das Unternehmen verlassen.

Fall 1:   Der Experte, der sein Wissen schon immer mit anderen geteilt hat.

Fall 2:   Der Fachmann ( die Fachfrau ist da mit eingeschlossen), der seinen Job aus langer Erfahrung intuitiv richtig macht, aber dieses Wissen bisher nur durch seine Vorbild-Funktion weitergeben kann.

Fall 1 ist für unsere Betrachtung der einfachere Fall. Jemand, der sein Wissen mit anderen teilt, wird in der Regel über Aufzeichnungen verfügen, die zudem so gestaltet sind, dass Dritte sie nachvollziehen und verstehen können. 
Zudem hat so eine Person gelernt und praktiziert, das Wissen anderen zu erklären, also verständlich zu machen und für Anwendungsfälle in Anwendung zu bringen.
Wenn wir uns diese Art der Wissensvermittlung anschauen, besteht sie aus den 2 Schritten:
  a) der Dokumentation von zusammengehörigen Wissensbausteinen und
  b) der Erklärung von Zusammenhängen. Zumeist wird erst die Vermittlung von Zusammenhängen andere Personen befähigen, die Wissensbausteine anzuwenden. Die Allerwenigsten haben die Genialität, selbst diese Zusammenhänge zu erkennen. Und gerade diese Zusammenhänge, dieses Erklären macht das Wissen erst wertvoll.

„Zu erklären, wie es geht“ habe ich in anderem Zusammenhang als „Anweisung zum Handeln“ bezeichnet.
Inzwischen haben wir eine Vielzahl von Möglichkeiten, solche Zusammenhänge weiterzugeben:  Wir können eine Schritt-für-Schritt Anweisung schreiben. Wir können in einem Vortrag die Zusammenhänge erklären. Wir können dies schriftlich, als Audio oder gar als Video aufbereiten, um diese Inhalte in kondensierter Form weiterzugeben und in kurzer Zeit zu vermitteln. Inzwischen können wir auch KI-Systeme mit solchen Erklärungen füttern, die dann das Netz der Voraussetzungen, der Wissensbausteine und der abgeleiteten Anwendungsregeln für den Anwendungsfall wieder zusammenstellen und präsentieren. Dies ist nicht zu verwechseln mit den öffentlich zugänglichen Large Language Modells, die nicht zwingend auf Wissen zugreifen, sondern sich frei aus der Welt der Veröffentlichungen und leider zunehmend aus den KI-generierten Inhalten speisen.

Der Fall 2 ist komplizierter.

Der Meister Eder beherrscht seinen Prozess im Schlaf. Auf jedes Geräusch, jede Reaktion seiner Umgebung kann er richtig reagieren. Er hat ein Gefühl dafür entwickelt.

Solche Fähigkeiten sind ebenfalls wertvoll, aber nur sehr bedingt übertragbar.

Der Lehrling oder Mitarbeitende, der über Jahre dabei ist, wird sich ähnliche Fähigkeiten aneignen. Es sind Muster, die wir als Menschen wahrnehmen und nach ausreichend häufiger Wiederholung als intuitive Reaktion abrufen können. Wir können auch von Heuristiken, von einfachen Musterreaktionen reden.

Im Gegensatz zum Experten im Fall A ist Meister Eder der Zusammenhang von Ursache und Wirkung oft nicht bewusst. Er hat die internen Abläufe nicht analysiert und in Wenn-Dann-Bedingungen überführt, zumindest nicht für alle Tätigkeiten, die er intuitiv ausführt.

Meister Eder’s Wissen für Dritte nutzbar zu machen, zu externalisieren, verlangt, die Fragen „Warum“ zu stellen und zu hoffen, dass er darauf eine Antwort geben kann und will.
Leider ist internalisiertes Wissen vielfach auch eine Art Schutz vor Ersetzbarkeit. Für den Augenblick des altersbedingten Ausscheidens sollte das keine Rolle mehr spielen. Für die Situation, in der jemand aus seinem Job gedrängt wird, sehr wohl. „Sollen sie doch sehen, wie sie ohne mich zurechtkommen!“

Aber unabhängig von der Motivation ist es auch eine besondere Fähigkeit, über langjährig intuitiv praktizierte Abläufe analytisch nachdenken zu können und dies dann auch Dritten zu erklären. Gute Lehrmeister können das. Sie zählen dann auch eher zum Fall 1.

Im Fall 2 braucht es 2 Personen, um zu externalisieren: Den „Meister Eder“ mit seinen Fähigkeiten und jemanden, der fragt und aufzeichnet. Diese 2. Person muss ausreichendes Wissen mitbringen, um ein Verständnis aufzubauen. Sonst wird es nicht gelingen, die Intuition für andere in einer Form festzuhalten, die sich wieder anwenden lässt.

Wenn dieses externalisierte Wissen geschaffen wurde, ist es wie mit allen anderen Wissensinhalten:  Jemand mit Zugang muss sie gezielt suchen und finden können. Nach dem Zugriff sollte es in einer Form zugänglich sein, dass es verständlich wird, was beabsichtigt ist, welche Randbedingungen wie zu berücksichtigen sind und welche Handlung daraus folgen sollte. Die Entscheidung, es so oder so zu tun oder auch zu lassen, liegt dann beim neuen Anwender.

Fazits: 

  • Wissen von Menschen im Unternehmen zu halten ist ein Asset.
  • Experten, die gelernt und geübt haben, anderen ihr Wissen zu vermitteln, haben den Prozess der Externalisierung von Wissen weitgehend erledigt.
  • „Meister Eder“, der seinen Job intuitiv richtig macht, aber nicht so genau erklären kann, was und wieso, braucht Hilfe.
  • Ist dieses Wissen, diese Anweisung zum Handeln, personenunabhängig verfügbar, sprechen wir von externalisiertem Wissen.
  • Dieses Wissen sinnvoll zu nutzen benötigt eine nächstes Niveau: das Verstehen.

Bleiben Sie neugierig.
Uwe Jarosch

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