3 Fälle, die im Prozess zu einem Fehler führen

Sie erhalten eine Reklamation.
Ihr Kunde hat an ihrem Ergebnis berechtigt etwas auszusetzen.

Zu dem, was sie gemacht haben, möchte ich zunächst ein paar Annahmen voranstellen:
Ich gehe davon aus, dass das Ergebnis zum Kunden nicht zufällig, spontan, rein intuitiv entstanden ist,
sondern planvoll und in einer Art von Auftrag.
Dabei ist völlig egal, ob es sich um eine Dienstleistung oder um ein sächliches Produkt handelt.
Es ist auch egal, ob das Ergebnis aus einem einmaligen, individuellen Vorgang oder aus einer sich wiederholenden Tätigkeit hervorgegangen ist.

In jedem angenommenen Fall waren sie darauf vorbereitet, diesen „Auftrag“ auszuführen.
Dieser Zustand sollte die Grundlage einer jeden Geschäftstätigkeit sein.

Wenn etwas vorbereitet abläuft, dann können wir es als einen Prozess oder als Prozedur [1] bezeichnen.

 

[1] Den Unterschied zwischen Prozess und Prozedur möchte ich folgendermaßen beschreiben: Ein Prozess ist ein Ablauf von Tätigkeiten, bei dem Personen unterschiedlicher Zuständigkeiten zusammenwirken. Bei der Prozedur finden die beschriebenen Tätigkeiten in 1 Zuständigkeit statt, es gibt daher keine verteilten Rollen und Verantwortlichkeiten.  Zwischen mehreren Abteilungen benötigen wir einen Prozess, innerhalb der Abteilung eine Prozedur. Beides beschreibt, wer was wie zu tun hat.

Diese Anweisung zum Handeln kann sehr starr sein, wenn es z.B. darum geht, dass etwas immer genau so gemacht werden soll, unabhängig von Personen,
Jahreszeit, Wochentag, Tageszeit oder gar dem Ort des Geschehens.

Wer eine Hochspannungsleitung reparieren soll, muss immer eine bestimmte Prozedur abarbeiten, damit die Arbeit ungefährdet ausgeführt werden kann.

Die Reklamation zeigt an, dass beim Kunden irgendetwas nicht so angekommen ist oder nicht so funktioniert, wie erwartet.
Gehen wir von einer berechtigten Reklamation aus. Der Kunde fordert nichts ein, was ihm nicht auch zugesagt wurde oder was üblicherweise Teil der Leistung ist.

Wenn sie im Restaurant Essen bestellt haben, können sie davon ausgehen, dass sie Messer, Gabel und Löffel zum Verzehr erhalten, auch wenn das nicht explizit auf der Speisekarte benannt wurde.

Was ist falsch gelaufen ?

An dieser Stelle kann und will ich nicht in eine konkrete Analyse von Auffälligkeiten, Fehlern beim Kunden, Problemen beim Lieferanten und deren Ursachen einsteigen.


Hier sollen drei grundsätzliche Möglichkeiten vorgestellt werden, warum etwas in einem geplanten Ablauf nicht wie geplant funktioniet.

Als Ablauf der Vorbereitung, der Vorausplanung, nehme ich an, dass wir einen Plan entwickelt haben, was wer wie machen soll. Einen Prozess oder eine Prozedur.

Wenn jetzt etwas schief gelaufen ist, dann ist die erste Möglichkeit:

dass wir den jetzt aufgetretenen Mangel so in unserer Planung nicht berücksichtigt haben.

Unbekannter, nicht berücksichtigter Fehler

Wir haben nicht über diesen Fehlerfall in einer Weise nachgedacht und ihn bei der Planung berücksichtigt, dass er nicht auftreten kann.
Nicht unwahrscheinlich ist sogar, dass dieser Mangel beim Kunden uns als Ziel, als Funktion im Betrieb, als gültige Anforderung gar nicht klar
war und wir schon aus diesem Grund nicht darüber nachgedacht haben, dass das für den Kunden inakzeptabel sein könnte.

Vielleicht wurde über diesen Fehlerfall nachgedacht, aber die Entscheidung war, auf Risiko zu gehen, in der Erwartung, dass dieser Fall nicht eintritt.

Jetzt ist der Nachweis erbracht, dass dieser Fehlerfall relevant ist und auftritt. 
In einer strukturierten Vorgehensweise der Qualitäts-Vorausplanung sollte der Fehlerfall eingeordnet werden: Beschreibt die Rückmeldung des Kunden
       – eine Auswirkung in der Folge in der Anwendung,
        z.B.  Das Produkt hat einfach aufgehört zu arbeiten
       – einen Mangel bei der Kernfunktion  
        z.B.  Das Produkt lässt sich nur 1 Min auf Stufe 2 betreiben   oder        
       – schon ein ursächliches Detail,                   
        z.B.  Das Produkt scheint an einer Stelle viel zu dünn zu sein und ist dort gebrochen.

Das erlaubt Rückschlüsse, wo in der Zielvorgabe und in der Beschreibung der möglichen Fehler / Mängel die Lücke ist.
Vor dort lässt sich dann untersuchen, was die mögliche Ursache war.
Wenn wir kein konkretes Ziel betrachtet haben mit konkreten Fehlerbildern, dann können wir auch unser Produkt u.U. nicht für diesen Fall ausgelegt haben. Diese Schlussfolgerung würde auf ein Problem bei der Gestaltung des Produkts, auf das Design hinweisen.

Wenn das Design sich als geeignet nachweisen lässt, dann sind wir bei der Ausführung im Prozess. Die Merkmale, die unser Produkt zum Kunden bestimmen, sind scheinbar nicht alle so ausgeführt worden, wie vom Design vorgegeben. Bei genauerer Betrachtung wäre das Ergebnis zum Kunden als „Nicht in Ordnung“ (NIO) zu bewerten. Wir haben also bei der Ausführung etwas falsch gemacht und es nicht bemerkt.

Da müssen wir jetzt mit einer Überarbeitung unserer Vorausplanung ansetzen.

Betrachten wir die zweite Möglichkeit:

dass wir den jetzt aufgetretenen Mangel kannten, aber in unserer Planung keine ausreichenden Maßnahmen eingeführt haben.

Bekannter Fehler, unzureichende Maßnahmen

Das kann zwei Ursachen haben:

Zum einen könnten wir uns über Ursachen Gedanken gemacht haben, aber mindestens eine wichtige Ursache ist nicht berücksichtigt worden.
Genau diese Ursache ist jetzt zum Tragen gekommen und hat zur beobachteten Auswirkung geführt.
Eine Ursache, die wir nicht beachten, wird weder ausreichend vermieden noch ausreichend überwacht. Hier fehlen die nötigen Maßnahmen gänzlich.

Zum anderen könnten alle Ursachen benannt sein, aber die geplanten Maßnahmen, um diese Ursache, diesen Prozesseinfluss im notwendigen Toleranzbereich
zu halten, waren nicht angemessen.

Mir ist bekannt, dass ich nur mit einem scharfen Messer gleich dicke Scheiben ohne Ausrisse schneiden kann. Also ist meine Vermeidungsmaßnahme, dass ich ein scharfes Messer verwende und meine Prüfmaßnahme ist, dass ich regelmäßig die Schärfe prüfe.
Aber ich habe bisher nicht geplant, einen Wetzstahl am Platz zu haben. Und in meiner Prüfplanung steht, dass ich das Messer 1x / Monat auf seine Schärfe prüfe.

Mit dieser Erkenntnis gehen wir in die Überarbeitung der Vorausplanung.

Als ergänzende Vermeidungsmaßnahme wird ein Wetzstahl erreichbar für jeden Arbeitsplatz beschafft.
Und die Prüffrequenz (Entdeckungsmaßnahme) wird von 1/Monat auf täglich erhöht.

Die dritte Möglichkeit, die wir in Betracht ziehen sollten, ist:

Bekannter Fehler, gute Maßnahmen,
jemand hält sich nicht dran

Alles war bestens bedacht und geplant, aber es gab Leute, die sich nicht daran gehalten haben.

Den Wetzstahl kann man zu Hause auch gut gebrauchen. Und die Schärfe prüfe ich nur Montags früh. Das muss reichen.

Das Produkt ist nachweislich NIO zum Kunden gegangen.
Die Planung sieht sinnvolle Vermeidungen und sinnvolle, wenn auch anstrengende Überprüfungen vor.

Trotzdem wurde der aufgetretene Fehler entweder nicht wirksam vermieden oder die Entdeckung hatte so viel Schlupf, dass es den Kunden erreicht hat.
Wenn alles so gemacht wurde, wie geplant, dann sollten wir von der oben diskutierten 2. Möglichkeit ausgehen.

Stellen sich Lücken oder Unregelmäßigkeiten bei der Ausführung heraus, dann sind wir bei Möglichkeit 3 richtig.

Wenn es gültige Vorgaben = Regeln für den Prozess gibt, aber deren Einhaltung nicht erfolgt, dann liegt ein Führungsproblem vor.
Jeder macht, was er will.
Dagegen etwas zu unternehmen ist eine ganz andere Aufgabe, als die Vorausplanung im 1. und 2. Fall. Aber es sind Menschen, die hier arbeiten.
Und bei Menschen passieren solche Abweichungen.

Was kann bei der Möglichkeit 3 getan werden?

Wesentlich ist, kontinuierlich an der Einstellung  von jeder einzelnen Person zu sich selbst und zu den Regeln zu arbeiten.

– Sinnlose Regeln sollten sinnvoll geändert werden. Dann halten sich die Menschen auch (eher) daran.
– Sinnvolle Regeln müssen überwacht werden.

Niemand hält sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen, wenn keiner kontrolliert. 

Das bedeutet auch ein bewusstes Hinschauen.

Lasse ich Regelverletzungen als Vorgesetzter unbeachtet, dann habe ich die Regel durch mein Verhalten defacto aufgehoben.

Verbesserungen bei Maßnahmen:

Neben der Führungsaufgabe wurden eine Reihe von Empfehlungen erarbeitet, die menschliches Verhalten im Sinne der Regeln beeinflussen oder den menschlichen Fehler versuchen gänzlich auszuschließen.

Nudging

Mit Nudging sind hilfreiche Hinweise, Anstubser, gemeint,  die es unwahrscheinlicher machen, etwas zu vergessen, zu umgehen, anders zu machen.

Beispiel sind: Eine Temperaturanzeige im direkten Sichtfeld, wenn Temperatur ein zu beachtende Rolle spielt,
eine Sichtblende, die vor Ablenkung schützt,
ein Count-Down-Timer, wenn es auf die richtige Behandlungsdauer ankommt,
Einrichtungen, die die Arbeit angenehmer machen,
Abfolgen durch Wegemarkierung begleiten,
Raumgestaltung und unterbewusste Einflüsse (Geräusche, Gerüche, Bilder), um die Arbeitsatmosphäre zu verbessern.

Poka Yoke

Wird der Prozess sehr häufig wiederholt, so lohnen sich „Poka Yoke“, Maßnahmen, die bestimmte Fehler durch Menschen entweder garn nicht möglich machen
oder direkt danach entdecken und korrigieren.

An diesem Arbeitsplatz gibt es nur diesen einen Typ Schraube, um Verwechslung auszuschließen.
Ein Näherungssensor gibt ein Signal, wenn das Teil nicht am Anschlag in der Vorrichtung anliegt.

Im Rahmen der Digitalisierung sind viele Details in einer Ablaufsteuerung abrufbar.

Dann wird eben dreimal am Tag das Prüfergebnis der Schärfeprüfung abgefragt, vielleicht sogar automatisch gemessen.

Geregelter Prozess

Ein geregelter Prozess ist ein sicherer Prozess.
Wir verlassen uns nicht darauf, dass wir Fehler schon finden werden. Denn die Entdeckung kann den Schaden nur mindern. 

Sinnvoller ist an dieser Stelle, auf eine wirksame Vermeidung, also auf die Einhaltung der Prozessvorgaben einschließlich der Prozess-Parameter  zu achten.

Idealerweise hilft die Entdeckung dabei, die Prozessvorgaben einzuhalten, indem regelmäßig der Zustand der Prozessparameter gemessen wird ( = Entdeckung),
um dann das Messergebnis direkt abzugleichen oder einem Regeler zuzuführen.
Der Regler als Vermeidungsmaßnahme kann rechtzeitig korrigierend eingreifen und den Prozess in der gewünschten Toleranz halten.

Fazit :

Ist ein Fehler bekannt geworden, z.B. durch Reklamation vom Kunden, so gibt es 3 mögliche Kategorien von Ursachen.

  • Dieser Fehler wurde als Zielgröße, Anforderung oder als möglicher Fehlerfall gar nicht bedacht.
    Dann kann eine Lösung sowohl in der Prozessplanung als auch schon im Design liegen.

  • Der Fehler ist bekannt, aber nicht wirksam vermieden oder erkannt.
    Die Maßnahmen müssen ergänzt werden, wenn man das Risiko zukünftig mindern will.
  • Der Fehler ist gut beplant, aber im Alltag nicht nach Plan berücksichtigt.
    Hier ist zunächst die Führung gefragt, die Einhaltung von Regeln einzufordern.
    Bei Fehlern durch Menschen können aber durchaus noch Hilfen sinnvoll sein, speziell wenn es häufig wiederholte Tätigkeiten betrifft.

Es ist nicht alles nur Schwarz oder Weiß
Uwe  Jarosch

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